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Internationaler Strafgerichtshof:

Etappenziel der Weltföderalisten erreicht

Ein Meilenstein in der Entwicklung von globalen Rechtsstrukturen wurde trotz aller Kompromißformeln durch die Verabschiedung des römischen Abkommens über einen Internationalen Strafgerichtshof im Juli 1998 genommen. Als Signal gegen Kriegsverbrecher konnte ein unabhängiges Gericht "mit Biß" durchgesetzt werden. Mit Hilfe der NGO-Koalition wurde damit ein wesentliches Etappenziel der Weltföderalisten erreicht.

Als "Geschenk der Hoffnung für künftige Generationen" hat UN-Generalsekretär Kofi Annan das Statut zur Errichtung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) gewürdigt, das am 17. Juli dieses Jahres in Rom beschlossen wurde. Fünf Wochen dauerten die zähen Verhandlungen im Gebäude der FAO deren Schietern bis zuletzt nicht ausgeschlossen werden konnten. Ihr Abschluß wurden von vielen Regierungen als historisch bezeichnet, wenn es sich auch um einen Kompromiß handelt, der niemenden wirklich ganz zufriedenstellt. "Es ist einer der größten Siege des Friedens in den letzten hundert Jahren" begeisterte sich dennoch Weltföderalist William Pace, als sich die Delegierten von 160 Ländern in Rom endlich auf die Einrichtung des Weltgerichtshofes geeinigt hatten. Was den Koordinator der 1995 vom World Federalist Movement (WFM) ins Leben gerufenen Coalition for an International Criminal Court (CICC) freute, war für die USA einen der bittersten Niederlagen seit langem und gleichzeitig ein Etappensieg der Weltföderalisten. Schon anläßlich des 50jährigen WFM-Jubiläums im Herbst 1997 würdigte Pierre Sané, Generalsekretär von amnesty international, ihre Leistung: "Wird die Geschichte des Strafgerichtshofes einmal geschrieben, so wied die Aufstellung der NGO-Koalition durch die Weltföderalisten den Zeitpunkt markieren, nachdem seine Errichtung unaufhaltsam geworden ist", erklärte der Menschenrechtler in einer Grußbotschaft.

Neben den USA opponierten mit Ausnahme Großbritanniens vor allem die anderen ständigen Mitglieder es UN-Sicherheitsrates gegen ein unabhängiges Gericht. Überhaupt alle Aktivitäten des Gerichts und seiner Ankläger sollten nach ihrer Auffassung von der Zustimmung des Rates unabhängig sein – und zudem von der Einwilligung der betroffenen Länder. Der Sicherheitsrat müsse jedes Verfahren jederzeit blockieren können, um es an sich zu ziehen. Die USA, Frankreich, Rußland und China wurden hierbei von Ländern wie Kuba, Iran, Irak, Libyen, Syrien, Indien, Pakistan und Ägypten unterstützt.
Der Chefankläger des Tribunals für das ehemalige Jugoslawien, der südafrikanischen Richter Richard Goldstone, warnte davor, daß der IStGH keine Glaubwürdigkeit hätte und die internationale Gerichtsbarkeit ernsthaft gefährdet würde, wenn der Gerichtshof oder seine Ankläger vom UN-Sicherheitsrat oder von den Vertragsstaaten abhängig gemacht würden. Das Prinzop der Gewaltenteilung wäre auf internationaler Ebene über Bord geworfen worden, hätte sich der Konferenz dem massiven Druck der Blockierer unterworfen und ein Marionettengericht der Exekutive geschaffen. Für künftige Formen der 'Global Governance' hätte dies fatale Folgen gehabt.

Ein im Juni veröffentlichtes Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Vülker untersuchte die Motivationen insbesondere bei den Blockierern im UN-Sicherheitsrat: "Weltweit geschehen Jahr für Jahr Genozide, Angriffskriege und andere schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates, die nach der UN-Charta die 'Hauptverantwortung für die Wahrundes des Weltfriedens' tragen, haben solche Verbrechen selbst begangen, sie aktiv unterstützt, begünstigt oder stillschweigend toleriert".

Als am Ende der Konferenz die gesamte Europäische Union, Kanada, viele Länder Lateinamerikas und selbst Rußland auf der anderen Seite standen, stärte das die Amerikaner weniger als ein unabhängiger IStGH. So wurde das zustimmende Votum (120 x Ja, 7 x Nein, 21 Enthaltungen) zu einer vernichtenden Niederlage.

Ehe das Weltstrafgericht an seinem künftigen Sitz in Den Haag die Arbeit aufnehmen kann, werden noch einige Jahre vergehen. Das Abkommen tritt erst nach Hinterlegung der 60. Ratifizierungsurkunde beim UNO-Generalsekretär in Kraft. Der Ratifizierungsprozeß durch die nationalen Parlamente wird schwierig und zeitraubend.

Trotz des "gequälten Kompromisses" und einiger Schlupflöcher markiert die Etablierung des IStGH einen Meilenstein auf dem Weg zu einer effektiven weltweiten Gerichtsbarkeit für die schlimmsten Verbrechen. Die grundsätlich unabhängige Konzeption des Gerichts kann angesichts der erheblichen Widerstände nur überraschen. Das Mandat der 1995 von den Weltföderalisten initiierten CICC, die inzwischen das Vorgehen von über 800 Organisationen koordiniert, besteht freilich weiter, nicht zuletzt um darauf hizuwirken, daß bei der Nachfolgekonferenz 2005 die vielen Schwachstellen ausgeräumt werdne. Anzustreben wäre auch einen universale Jurisdiktion des IStGH und letztlich die Etablierung eines internationalen Strafgesetzbuches (IStGB), dessen erster Entwurf 1996 von der UN-Völkerrechtskommission veröffentlicht wurde. Schließlich muß die Öffentlichkeit zur Unterstützung des Ratifizierungsprozesses in den einzelnen Ländern mobilisiert werden.

Lesen Sie hierzu auch den Gastbeitrag von Horst Prem